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Archiv vergangener Objekte

Das Objekt des Monats 04/2024

Die Honda NR750 (Baujahr 1991/92) mit Ovalkolben

Ein Motorrad welches aussieht als wäre sie gestern gebaut worden ist nun ein Oldtimer!

Es schrieb das Jahr 1978 und die Grand Prix Rennmaschinen bestehend ausschließlich aus 500ccm Zeitaktmaschinen näherten sich bereits für die Zeit atemberaubenden 200PS.

Honda als Zweiradtechnologieführer war aber unter dem noch tätigen Soichiro Honda immer auf der Suche nach mehr. Nicht nur mehr Leistung war das Ziel, sondern auch mehr Umweltschutz. 

So waren es Honda Motoren welche bereits um 1979 schon ausnahmslos mit bleifreiem Benzin betrieben werden konnten oder die Entscheidung um 1990 komplett auf umweltschädliche Zweitaktmotoren zu verzichten.
Als Betätigungs- und Erprobungsfeld diente auch dazu der Rennsport. 

Da im Rennsport die Zylinderzahl allerdings reglementiert war hatte man mit einem Viertakter keine Chance auch nur näherungsweise an die Leistung von Zweitaktern heranzukommen. Honda erdachte sich als Lösung "ganz einfach" acht Zylinder auf vier zusammenzuschieben was letztendlich eine ovale Kolbenform bedingte.

Man muß schon Honda heißen um die zahlreichen Rückschläge und Enttäuschungen verarbeiten zu können und nicht aufzugeben.
1987 startete Honda mit einer aus ursprünglich entwickelten 500 ccm Rennmaschine mit der nun sehr weit entwickelten NR 750 beim Langstreckenrennen in Le Mans. Mit fast 160 PS bei 15.500/min war sie ihrer Konkurrenz (ca. 130 PS) überlegen und erreichte damit den zweiten Startplatz. Im Rennen schied sie durch einen Defekt aus, konnte aber die Überlegenheit des Konzepts demonstrieren. Kurz darauf wurden Ovalkolbenmotoren von der FIM verboten. Hintergrund des Verbotes war wohl, das Honda auf den Ovalkolbenmotor zwischenzeitlich so viel Patente angemeldet hatte und hier insbesondere auf die Fertigung der hochbelasteten Kolbenringe , dass kaum ein anderer Hersteller hätte diesen noch bauen können. Die Konsequenz wären Honda Motorräder als (langweilige) Dauersieger gewesen.
Auch führende deutsche Autobauer versuchten sich in Ovalkolbenmotoren, scheiterten dann allerdings an der Abdichtung der Kolbenringe welche Honda eben im Griff hatte.

Mit dem Verbot des Ovalkolbenmotors im Rennsport war eine angedachte Serienfertigung dann auch nicht mehr umzusetzen und so stellte man das Projekt ein.

Als Hommage an die Technik und zu zeigen was man kann legte Honda allerdings eine Kleinstserie Ovalkolbenmotorräder auf - die NR 750 – auf, wobei das Wort „auflegen“ wohl deutlich überspitzt ist auch angesichts der Fertigungsmethode in reiner Handarbeit.
Dem Team in Hammamatsu wurde bei der Umsetzung absolut freie Hand gelassen und Kosten spielten keine Rolle.
Verbaut wurde nur das Feinste und die neueste Technologie.

Neben einer PGMFI Benzineinspritzung mit frei programmierbarem Steuergerät und Anti Hopping Kupplung, Titanpleueln sowie reichlich Titanteilen erhielt sie ein Head Up Display welches dem Fahrer die Geschwindigkeit  einspiegelte. Als erstes Motorrad überhaupt waren die Blinker in den Spiegeln integriert und für Furore sorgte die Auspuffanlage welche mittig unter dem Monocoque heraus ragte.
Mit einer Up Side Down Gabel und einen speziell beschichteten Aluminium Wabenrahmen setze sie Maßstäbe. Die Rahmung der Embleme wurden aus Blattgold gefertigt und für die Zeit unvorstellbar die Tank/Sitzbank Kombination aus Kohlefaserverbundwerkstoff hergestellt als Sichtcarbon.

Da eben nichts zu teuer war kam ein Speziallack der Firma Bayer Leverkusen mit sieben Schichten zum Einsatz welcher das Motorrad im Sonnenschein besonders wirken ließ.

Die Felgen wurden selbstredend aus Magnesium gefertigt.
Detailverliebtheit drückte man auch aus durch einen aerodynamisch verkleideten Seitenständer.
Das Highlight war natürlich der Motor dessen acht Ventile pro Kolben immense Leistungen zuließ mit Ventilschäften mit lediglich 3,5 mm Durchmesser dünn wie Bleistiftminen. Vier obenliegende Nockenwellen über ein verschränktes Zahnradtrum betrieben steuerten die Ein- und Auslasszeiten und ermöglichten Drehzahlen bis leicht 15.000 min−1. Das gesamte Motorkonzept gab ihr einen unverwechselbaren sonoren Sound.

Allein das mehr als 500 seitige Werkstatthandbuch liest sich für Mechaniker wie für andere Leute ein spannender Roman. Hier beschrieb man nicht nur bis in`s kleinste Detail, sondern erklärte bspw. auch das „Wie und Warum“ wie bspw. den Aufbau der Kolbenringe.
Leider kam die NR zunächst wegen einer gemeinsamen Herstellerabsprache Leistung nicht eskalieren zu lassen in einer gedrosselten Version zu ihren Besitzern und nur wenige rüsteten sie zur vollen Leistung auf bzw. hatten Gelegenheit die benötigten Teile zu beziehen.
Und das sie etwas kann was andere nicht können stellte sie auch unter Beweis.
Am 29. August 1993 stellte Loris Capriossi mit einer NR 750 den Weltrekord für die Höchstgeschwindigkeit von 304,032 km/h auf der Rennstrecke von Nardo auf.

Ein weiterer Rekord fiel mit der NR 750 mit einer 24 stündigen Durchschittsgeschwindigkeit von über 300km/h inclusive Tanken und Reifenwechseln was nebenher für den deutschen Reifenhersteller Metzeler eine enorme Herausforderung war.
Man könnte die Aufzählung der Besonderheiten noch lang fortführen da hier jede Kleinigkeit dem Stand der Technik bzw. der zukünftigen Technik auch in Sachen Fertigungsqualität entsprach.

Die Manufaktur in Hammamatsu wurde gebildet aus einem Team erfahrendster Ingenieure und Monteure. Beim Zusammenbau jeder einzelnen Maschine wurde jeder Arbeitsschritt von jedem Monteur protokolliert und signiert.
So bekam jeder Besitzer ein Handbuch mit zu seiner Maschine wer, wann was an seiner entstehenden Maschine gemacht hat.
Auch war der Zündschlüssel aus Titan mit eingelegtem Carbonelement und jeder Besitzer bekam eine Schatulle mit einem Ovalkolben aus echtem Silber mit einem 999er Feingehalt.

Aus diesem Motorrad was eigentlich kein Motorrad, sondern ein Kunstwerk ist resultierte letztendlich ein Preis von seinerzeit atemberaubenden 100.000 Deutsche Mark.
Dennoch war die Nachfrage weltweit nicht nur hoch sondern ebenso atemberaubend.
Honda hatte die NR 750 allerdings als einmalige Sonderserie angekündigt und blieb auch wie versprochen dabei.
So wurden entgegen anderslautender Berichte lediglich 112 Stück gebaut was bei Honda wohl nicht ansatzweise die Kosten des Gesamtprojektes eingespielt hat. Aber man hatte der Welt gezeigt was man konnte.
Die Verteilung der Maschinen über die Welt an ausgewählte Kunden war selbstredend dann bescheiden. Lediglich 8 Maschinen wurden in Deutschland ausgeliefert, 12 in der Schweiz, 3 in Monaco, 12 in Frankreich,7 in Großbritannien, 31 in den USA. 
Fast alle NR 750 landeten in Vitrinen oder Museen und waren auf der Straße nie gesehen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Preis für dieses technische Meisterwerk zunächst in solche Dimensionen,Tendenz - steigend. 

Das hier gezeigte Exemplar ist eines der ganz wenigen Exemplare welche auch "ganz normal" gefahren wurde, angeschliffene Fußrasten inbegriffen.
Aus diesem Grund wurde die werksseitig titanbedampfte Verkleidungsscheibe gegen eine handgefertigte Spoilerscheibe getauscht um Höchstgeschwindigkeiten besser trotzen zu können.

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